Sammlung: Franziska Porsch, Sabeth Wiese, Carl Friedrich Then
Designliteratur in Zitaten
JUN 2022
Geflügelte Worte sind auch im Design weit verbreitet: form follows function, less is more, Design ist unsichtbar oder aber die guten alten wicked problems. Je leichter sie uns über die Lippen gehen, desto weniger ist meistens bekannt, woher sie eigentlich kommen. Ganz abgesehen davon, ob die Bedeutung, die wir damit zu transportieren beabsichtigen, überhaupt noch die vom Schöpfer ursprünglich intendierte ist. Denn die in wenigen Worten oberflächlich zusammengefassten Aussagen darüber, was Design ist oder wie es auszusehen hat, sind immer in einem bestimmten Kontext entstanden, ohne diesen sie leicht missverstanden werden könnten. Andererseits ist es aber auch immer wieder faszinierend zu sehen, welche diskursive Eigendynamik geflügelte Worte entwickeln können.
Mit unseren Zitatesammlungen wollen wir dazu einladen bekannte Quellen einmal wieder zu besuchen, oder sich dieser Texte überhaupt zum ersten mal anzunehmen und auf Texte über das Design aufmerksam machen, aus denen vielleicht die geflügelten Worte von morgen werden.
Louis Sullivan: The Tall Office Building Artistically Considered (1896)
"The architects of this land and generation are now brought face to face with something new under the sun - namely, that evolution and integration of social conditions, that special grouping of them, that results in a demand for the erection of tall office buildings.
[…] Problem: How shall we impart to this sterile pile, this crude, harsh, brutal agglomeration, this stark, staring exclamation of eternal strife, the graciousness of those higher forms of sensibility and culture that rest on the lower and fiercer passions? How shall we proclaim from the dizzy height of this strange, weird, modern housetop the peaceful evangel of sentiment, of beauty, the cult of a higher life?"
"It is my belief that it is of the very essence of every problem that it contains and suggests its own solution. This I believe to be natural law."
"Hence it follows inevitably, and in the simplest possible way, that if we follow our natural instincts without thought of books, rules, precedents, or any such educational impedimenta to a spontaneous and ‘sensible’ result, we will in the following manner design the exterior of our tall office building."
"I assume now that in the study of our problem we have passed through the various stages of inquiry, as follows: 1st, the social basis of the demand for tall office buildings; 2nd, its literal material satisfaction; 3rd, the elevation of the question from considerations of literal planning. construction, and equipment, to the plane of elementary architecture as a direct outgrowth of sound, sensible building; 4th, the question again elevated from an elemantary architecture to the beginnings of true architectural expression, through the addition of a certain quality and quantity of sentiment."
"The man who designs in the spirit and with the sense of responsibility to the generation he lives in must be no coward, no denier, no bookworm, no dilettante. He must live of his life and for his life the fullest, most consummate sense. He must realize at once and with the grasp of inspiration that the problem of the tall office is one of the most stupendous, one of the most magnificient opportunities that the Lord of Nature in His beneficence has ever offered to the proud spirit of man.
That this has not been perceived - indeed, has been flattly denied - is an exhibition of human perversity that must give us pause."
"All of these critics and theorists agree, however, positively, unequivocally, in this, that the tall office building should not, must not, be made a field for the display of architectural knowledge in the encyclopaedic sense; that too much learning in this instance is fully as dangerous, as obnoxious, as too little learning; that miscellany is abhorrent to their sense; that the six-teen-story building must not consist of sixteen separate, distinct and unrelated buildings piled one upon the other until the top of the pile is reached."
"All things in nature have a shape, that is to say, a form, an outward semblance, that tells us what they are, that distinguishes them from ourselves and from each other.
Unfailingly in nature these shapes express the inner life, the native quality of the animal, tree, bird, fish, that they present to us; they are so characteristic, so recognizable, that we say, simply, it is ‘natural’ it should be so."
"Wether it be the sweeping eagle in his flight or the open apple-blossom, the toiling work-horse, the blithe swan, the branching oak, the winding stream at its base, the drifting clouds, over all the coursing sun, form ever follows function, and this is the law. Where function does not change form does not change. The granite rocks, the ever-brooding hills, remain for ages; the lightning lives, comes into shape, and dies in a twinkling.
It is the prevading law of all things organic, and inorganic, of all things physical and metaphysical, of all things human and all things superhuman, of all true manifestations of the head, of the heart, of the soul, that the life is recognizable in its expression, that form ever follows function. This is the law."
Gui Bonsiepe: Visuell-verbale Rhetorik (1965)
Anmerkung des Autors, 2007
“Da der Text ohne Aktualisierung und tiefgreifende Revision nach 43 Jahren veröffentlicht wird, kann zu Recht die Frage gestellt werden, ob sein Wiederabdruck über ein rein historisches Interesse hinausreicht. [...] Dieser Text befriedigt den durchaus nachvollziehbaren, aber letztlich bornierten Aktualitätshunger keineswegs, kann aber als Anregung diesen, über die nach wie vor ungeklärte Beziehung zwischen Diskursivität und Visualität nachzudenken.”
“Spezialisten der [...] Corporate Identity legen ihre rhetorischen Techniken darauf an, beim Publikum bestimmte Einstellungen – vergleichbar langwährenden Stimmungen – zu bilden, zu verfestigen oder zu zersetzen, je nach der firmenpolitischen Strategie, sich in der Öffentlichkeit darzustellen: Einstellungen als Konglomerate von letztlich sprachlichen fundierten Urteilen.”
“Der Designer als Spezialist – unter anderen – für visuelle Distink-Semnatik beeinflusst die Gefühle, Stimmungen und Einstellungen der Benutzer, indem er die den verschiedenen formalen und semantischen Kategorien zugeordneten visuellen Mittel als Botschaft einsetzt.”
“Rhetorikfreie, gleichsam aseptische Kommunikation mündet im Abbruch von Kommunikation, in der Nichtkommunikation. Für den Grafikdesigner ist die pure Information ohnehin eine Abstraktion. In dem Augenblick, da er die Information gestaltet, also sinnlich erfahrbar macht, beginnt bereits der Prozess der rhetorischen Infiltration.”
“Dieser wohl erste Versuch, die begrifflichen Distinktionen der verbalen Rhetorik systematisch auf den Bereich der visuellen Kommunikation anzuwenden und zudem eigens neue Distinktionen zu schaffen, bleibt ein isoliertes Unternehmen, Nach wie vor kann ein rhetorischer Ansatz zu einem tieferen Verständnis der Phänomene beitragen, mit dem ein Grafikdesigner sich in deiner täglichen Entwurfsarbeit auseinandersetzt.”
Lucius Burckhardt: Design ist unsichtbar (1980)
“So kann man die Welt als eine Welt von Gegenständen auffassen und sie einteilen in – zum Beispiel – Häuser, Straßen, Verkehrsampeln, Kioske, in Kaffeemaschinen, Spültröge, Geschirr, Tischwäsche. Diese Einteilung hat Konsequenzen: sie führt eben zu der Auffassung von Design, welche ein bestimmtes Gerät abgrenzt, seine Außenbedingungen anerkennt und sich das Ziel setzt, eine bessere Kaffeemaschine zu bauen oder eine schönere, also das zu tun, was in den fünfziger Jahren mit der Auszeichnung die Gute Form bedacht worden ist.”
“Der Entwerfer sorgt dafür, dass mit neuen Mitteln alles beim alten bleibt.”
“Gibt es ein Mittel gegen alle diese Übelstände? Natürlich, aber es liegt nicht in den Randbedingungen der Designer!”
“Die bisherigen Ausführungen haben zeigen wollen, daß das Design eine unsichtbare Komponente hat, nämlich die institutionell-organisatorische, über welche der Designer ständig mitbestimmt, die aber durch die gängige Art der Einteilung unserer Umwelt im Verborgenen bleibt. Indem nämlich die Welt nach Gegenständen eingeteilt wird und das Unsichtbare dabei als Randbedingung auftritt, wird die Welt auch gestaltet.”
“Zum Entwurf: Die Objekte erhalten ihre Gestalt durch die Interaktionen des Entwurfsprozesses. Und zum Verbrauch: Die Produkte wirken aktiv in die Interaktion der Gesellschaft zurück; die Dinge sind nicht neutral, sondern es gibt (Illich!) Tools for Conviviality und auch ihr Gegenteil, gesellschaftsverhindernde Dinge.”
“Beginnen wir also mit dem Entwurfsprozeß. Hier stellten wir schon eingangs fest, daß der Designer die Welt einteilt nach Objekten anstatt nach Problemen. Dies beruht auf der linguistischen Determination, welche die Benennung eines Übelstandes gleich zum Gerät seiner Abhilfe macht.”
“Diese Art der Problemlösung hat ihre Ursache in der Stellung des Designers innerhalb der Entscheidungsgruppen: als ein im Grunde von der Verantwortung befreiter Ideenlieferant.”
“Inzwischen hat man wohl erkannt, daß Dinge mit so hohem Symbolwert und so geringem Anteil von Erfindung wie das Eßbesteck gar nicht Gegenstand des Designs sind. Diejenigen Dinge aber, die noch zu erfinden sind, sind wohl, mindestens in ihren technischen Teilen, für den Designer zu schwierig. So muß sich das Design öffnen zu einem Soziodesign: einem Nachdenken über Problemlösungen, die dadurch entstehen, daß sowohl Rollen wie Objekte aufeinander abgestimmten Veränderungen zugeführt werden.”
“Unsichtbares Design. Damit ist heute gemeint, das konventionelle Design, das seine Sozialfunktion selber nicht bemerkt. Damit könnte aber auch gemeint sein: ein Design von morgen, das unsichtbare Gesamtsysteme, bestehend aus Objekten und zwischenmenschlichen Beziehungen, bewußt zu berücksichtigen imstande ist.”
Richard Buchanan: Declaration by Design. Rhetorik, Argument und Darstellung in der Designpraxis (1985)
“Denken wir nun an die zahlreichen geschichtswissenschaftlichen, soziologischen, ästhetischen und kulturwissenschaftlichen Studien zum Design in den letzten Jahrzehnten: Sie sind zwar nicht explizit rhetorisch, doch dringen die in der Behandlung von Themen wie dem Einfluss des Designers und der Wirkung des Designs auf die Konsumentengruppe oder die Gesellschaft weit in den Bereich der Rhetorik vor.”
“Technologen entdecken Wege, die Natur nutzbar zu machen, um solche Probleme zu lösen, und versuchen dann, andere davon zu überzeugen, dass ihre Lösungen nützlich sind und zu wertvollen Ergebnissen führen. Ihre Art der Überzeugung vollzieht sich in Argumenten, die mit Hilfe von Dingen anstatt von Worten hervorgebracht werden; sie präsentieren Ideen nicht durch die Manipulation von Sprache, sondern Materialien und natürlichen Prozessen.”
“Technologen selbst haben solche Vorstellungen [über das soziale Leben], und sie haben sie bereits auf mannigfaltige Weise der menschlichen Gemeinschaft aufgezwungen. Solange ihre Arbeit nicht als Teil der Designpraxis und als Überzeugungskunst verstanden wird, werden diese Vorstellungen entweder stillschweigend akzeptiert oder auf ahnungslose Wiese unerforscht bleiben.”
“Gemeinheit wird die Technologie als angewandte Naturwissenschaft verstandenen nicht als Teil des Designs. Dieses Verständnis macht für viele die Hoffnung zunichte, dass die Technologie jemals ernsthaft von menschlichen Werten und dem Gedanken des Gemeinlebens beeinflusst und geleitet werden könnte.
“Design ist eine Disziplin des Denkens, die sich die Überzeugungskraft von Objekten zu Nutzen macht, um praktisches Handeln zu beeinflussen. Deshalb geht es im Design stets auch um den lebendigen Austausch konkurrierender Vorstellungen über das soziale Leben.”
Fußnote Nr. 11: “Grammatische Theorien betrachten Kommunikation oft als die Übertragung einer Geisteshaltung vom Sprecher auf das Publikum – als Weitergabe von Information und Emotion. In der Rhetorik jedoch wird Kommunikation als die Entwicklung von Argumenten (logisch, ethisch oder emotional) verstanden, die im Publikum Glauben oder Identifikation hervorrufen. Diese Unterscheidung mag sehr fein sein, doch sind die Konsequenzen der jeweiligen Ansätze grundsätzlich verschieden.”
“Alle Produkte beruhen auf Überzeugungen und Wertvorstellungen, ob diese nun explizit formuliert sind, implizit angenommen oder völlig ignoriert werden.”
“Eine fachkundige und kluge Designpraxis erfordert eine ebenso fachkundige und kluge Praxis der Rhetorik. Dies nicht nur bei der Formulierung eines Produktkonzepts, bei der sich Designer, Manager und andere Involvierte in verbalem Erfindungsreichtum und in Überzeugungskunst Untertreffen, sondern vielmehr auch in der überzeugenden Präsentation und Deklaration dieses Konzepts in den Produkten selbst. Ob es sich um das kleinste, nebensächlichste Objekt oder das größte Integrierte technologische System handelt, Sets bewirken Designer eine Verstärkung von Ideen durch die gestalteten Dinge.”
BODY OF KNOWLEDGE
Design ist unsichtbar ist erschienen in:
Lucius Burckhardt, Design ist unsichtbar, Herausgeber: Hans Höger für den Rat für Formgebung, 1995
Visuell-Verbale Rhetorik und Declaration by Design ist erschienen in:
Gesche Jost, Arne Scheuermann (Hg.): Design als Rhetorik: Grundlagen, Positionen und Fallstudien
Sammlung: Franziska Porsch, Sabeth Wiese, Carl Friedrich Then
Designliteratur in Zitaten
JUN 2022
Geflügelte Worte sind auch im Design weit verbreitet: form follows function, less is more, Design ist unsichtbar oder aber die guten alten wicked problems. Je leichter sie uns über die Lippen gehen, desto weniger ist meistens bekannt, woher sie eigentlich kommen. Ganz abgesehen davon, ob die Bedeutung, die wir damit zu transportieren beabsichtigen, überhaupt noch die vom Schöpfer ursprünglich intendierte ist. Denn die in wenigen Worten oberflächlich zusammengefassten Aussagen darüber, was Design ist oder wie es auszusehen hat, sind immer in einem bestimmten Kontext entstanden, ohne diesen sie leicht missverstanden werden könnten. Andererseits ist es aber auch immer wieder faszinierend zu sehen, welche diskursive Eigendynamik geflügelte Worte entwickeln können.
Mit unseren Zitatesammlungen wollen wir dazu einladen bekannte Quellen einmal wieder zu besuchen, oder sich dieser Texte überhaupt zum ersten mal anzunehmen und auf Texte über das Design aufmerksam machen, aus denen vielleicht die geflügelten Worte von morgen werden.
Louis Sullivan: The Tall Office Building Artistically Considered (1896)
"The architects of this land and generation are now brought face to face with something new under the sun - namely, that evolution and integration of social conditions, that special grouping of them, that results in a demand for the erection of tall office buildings.
[…] Problem: How shall we impart to this sterile pile, this crude, harsh, brutal agglomeration, this stark, staring exclamation of eternal strife, the graciousness of those higher forms of sensibility and culture that rest on the lower and fiercer passions? How shall we proclaim from the dizzy height of this strange, weird, modern housetop the peaceful evangel of sentiment, of beauty, the cult of a higher life?"
"It is my belief that it is of the very essence of every problem that it contains and suggests its own solution. This I believe to be natural law."
"Hence it follows inevitably, and in the simplest possible way, that if we follow our natural instincts without thought of books, rules, precedents, or any such educational impedimenta to a spontaneous and ‘sensible’ result, we will in the following manner design the exterior of our tall office building."
"I assume now that in the study of our problem we have passed through the various stages of inquiry, as follows: 1st, the social basis of the demand for tall office buildings; 2nd, its literal material satisfaction; 3rd, the elevation of the question from considerations of literal planning. construction, and equipment, to the plane of elementary architecture as a direct outgrowth of sound, sensible building; 4th, the question again elevated from an elemantary architecture to the beginnings of true architectural expression, through the addition of a certain quality and quantity of sentiment."
"The man who designs in the spirit and with the sense of responsibility to the generation he lives in must be no coward, no denier, no bookworm, no dilettante. He must live of his life and for his life the fullest, most consummate sense. He must realize at once and with the grasp of inspiration that the problem of the tall office is one of the most stupendous, one of the most magnificient opportunities that the Lord of Nature in His beneficence has ever offered to the proud spirit of man.
That this has not been perceived - indeed, has been flattly denied - is an exhibition of human perversity that must give us pause."
"All of these critics and theorists agree, however, positively, unequivocally, in this, that the tall office building should not, must not, be made a field for the display of architectural knowledge in the encyclopaedic sense; that too much learning in this instance is fully as dangerous, as obnoxious, as too little learning; that miscellany is abhorrent to their sense; that the six-teen-story building must not consist of sixteen separate, distinct and unrelated buildings piled one upon the other until the top of the pile is reached."
"All things in nature have a shape, that is to say, a form, an outward semblance, that tells us what they are, that distinguishes them from ourselves and from each other.
Unfailingly in nature these shapes express the inner life, the native quality of the animal, tree, bird, fish, that they present to us; they are so characteristic, so recognizable, that we say, simply, it is ‘natural’ it should be so."
"Wether it be the sweeping eagle in his flight or the open apple-blossom, the toiling work-horse, the blithe swan, the branching oak, the winding stream at its base, the drifting clouds, over all the coursing sun, form ever follows function, and this is the law. Where function does not change form does not change. The granite rocks, the ever-brooding hills, remain for ages; the lightning lives, comes into shape, and dies in a twinkling.
It is the prevading law of all things organic, and inorganic, of all things physical and metaphysical, of all things human and all things superhuman, of all true manifestations of the head, of the heart, of the soul, that the life is recognizable in its expression, that form ever follows function. This is the law."
Gui Bonsiepe: Visuell-verbale Rhetorik (1965)
Anmerkung des Autors, 2007
“Da der Text ohne Aktualisierung und tiefgreifende Revision nach 43 Jahren veröffentlicht wird, kann zu Recht die Frage gestellt werden, ob sein Wiederabdruck über ein rein historisches Interesse hinausreicht. [...] Dieser Text befriedigt den durchaus nachvollziehbaren, aber letztlich bornierten Aktualitätshunger keineswegs, kann aber als Anregung diesen, über die nach wie vor ungeklärte Beziehung zwischen Diskursivität und Visualität nachzudenken.”
“Spezialisten der [...] Corporate Identity legen ihre rhetorischen Techniken darauf an, beim Publikum bestimmte Einstellungen – vergleichbar langwährenden Stimmungen – zu bilden, zu verfestigen oder zu zersetzen, je nach der firmenpolitischen Strategie, sich in der Öffentlichkeit darzustellen: Einstellungen als Konglomerate von letztlich sprachlichen fundierten Urteilen.”
“Der Designer als Spezialist – unter anderen – für visuelle Distink-Semnatik beeinflusst die Gefühle, Stimmungen und Einstellungen der Benutzer, indem er die den verschiedenen formalen und semantischen Kategorien zugeordneten visuellen Mittel als Botschaft einsetzt.”
“Rhetorikfreie, gleichsam aseptische Kommunikation mündet im Abbruch von Kommunikation, in der Nichtkommunikation. Für den Grafikdesigner ist die pure Information ohnehin eine Abstraktion. In dem Augenblick, da er die Information gestaltet, also sinnlich erfahrbar macht, beginnt bereits der Prozess der rhetorischen Infiltration.”
“Dieser wohl erste Versuch, die begrifflichen Distinktionen der verbalen Rhetorik systematisch auf den Bereich der visuellen Kommunikation anzuwenden und zudem eigens neue Distinktionen zu schaffen, bleibt ein isoliertes Unternehmen, Nach wie vor kann ein rhetorischer Ansatz zu einem tieferen Verständnis der Phänomene beitragen, mit dem ein Grafikdesigner sich in deiner täglichen Entwurfsarbeit auseinandersetzt.”
Lucius Burckhardt: Design ist unsichtbar (1980)
“So kann man die Welt als eine Welt von Gegenständen auffassen und sie einteilen in – zum Beispiel – Häuser, Straßen, Verkehrsampeln, Kioske, in Kaffeemaschinen, Spültröge, Geschirr, Tischwäsche. Diese Einteilung hat Konsequenzen: sie führt eben zu der Auffassung von Design, welche ein bestimmtes Gerät abgrenzt, seine Außenbedingungen anerkennt und sich das Ziel setzt, eine bessere Kaffeemaschine zu bauen oder eine schönere, also das zu tun, was in den fünfziger Jahren mit der Auszeichnung die Gute Form bedacht worden ist.”
“Der Entwerfer sorgt dafür, dass mit neuen Mitteln alles beim alten bleibt.”
“Gibt es ein Mittel gegen alle diese Übelstände? Natürlich, aber es liegt nicht in den Randbedingungen der Designer!”
“Die bisherigen Ausführungen haben zeigen wollen, daß das Design eine unsichtbare Komponente hat, nämlich die institutionell-organisatorische, über welche der Designer ständig mitbestimmt, die aber durch die gängige Art der Einteilung unserer Umwelt im Verborgenen bleibt. Indem nämlich die Welt nach Gegenständen eingeteilt wird und das Unsichtbare dabei als Randbedingung auftritt, wird die Welt auch gestaltet.”
“Zum Entwurf: Die Objekte erhalten ihre Gestalt durch die Interaktionen des Entwurfsprozesses. Und zum Verbrauch: Die Produkte wirken aktiv in die Interaktion der Gesellschaft zurück; die Dinge sind nicht neutral, sondern es gibt (Illich!) Tools for Conviviality und auch ihr Gegenteil, gesellschaftsverhindernde Dinge.”
“Beginnen wir also mit dem Entwurfsprozeß. Hier stellten wir schon eingangs fest, daß der Designer die Welt einteilt nach Objekten anstatt nach Problemen. Dies beruht auf der linguistischen Determination, welche die Benennung eines Übelstandes gleich zum Gerät seiner Abhilfe macht.”
“Diese Art der Problemlösung hat ihre Ursache in der Stellung des Designers innerhalb der Entscheidungsgruppen: als ein im Grunde von der Verantwortung befreiter Ideenlieferant.”
“Inzwischen hat man wohl erkannt, daß Dinge mit so hohem Symbolwert und so geringem Anteil von Erfindung wie das Eßbesteck gar nicht Gegenstand des Designs sind. Diejenigen Dinge aber, die noch zu erfinden sind, sind wohl, mindestens in ihren technischen Teilen, für den Designer zu schwierig. So muß sich das Design öffnen zu einem Soziodesign: einem Nachdenken über Problemlösungen, die dadurch entstehen, daß sowohl Rollen wie Objekte aufeinander abgestimmten Veränderungen zugeführt werden.”
“Unsichtbares Design. Damit ist heute gemeint, das konventionelle Design, das seine Sozialfunktion selber nicht bemerkt. Damit könnte aber auch gemeint sein: ein Design von morgen, das unsichtbare Gesamtsysteme, bestehend aus Objekten und zwischenmenschlichen Beziehungen, bewußt zu berücksichtigen imstande ist.”
Richard Buchanan: Declaration by Design. Rhetorik, Argument und Darstellung in der Designpraxis (1985)
“Denken wir nun an die zahlreichen geschichtswissenschaftlichen, soziologischen, ästhetischen und kulturwissenschaftlichen Studien zum Design in den letzten Jahrzehnten: Sie sind zwar nicht explizit rhetorisch, doch dringen die in der Behandlung von Themen wie dem Einfluss des Designers und der Wirkung des Designs auf die Konsumentengruppe oder die Gesellschaft weit in den Bereich der Rhetorik vor.”
“Technologen entdecken Wege, die Natur nutzbar zu machen, um solche Probleme zu lösen, und versuchen dann, andere davon zu überzeugen, dass ihre Lösungen nützlich sind und zu wertvollen Ergebnissen führen. Ihre Art der Überzeugung vollzieht sich in Argumenten, die mit Hilfe von Dingen anstatt von Worten hervorgebracht werden; sie präsentieren Ideen nicht durch die Manipulation von Sprache, sondern Materialien und natürlichen Prozessen.”
“Technologen selbst haben solche Vorstellungen [über das soziale Leben], und sie haben sie bereits auf mannigfaltige Weise der menschlichen Gemeinschaft aufgezwungen. Solange ihre Arbeit nicht als Teil der Designpraxis und als Überzeugungskunst verstanden wird, werden diese Vorstellungen entweder stillschweigend akzeptiert oder auf ahnungslose Wiese unerforscht bleiben.”
“Gemeinheit wird die Technologie als angewandte Naturwissenschaft verstandenen nicht als Teil des Designs. Dieses Verständnis macht für viele die Hoffnung zunichte, dass die Technologie jemals ernsthaft von menschlichen Werten und dem Gedanken des Gemeinlebens beeinflusst und geleitet werden könnte.
“Design ist eine Disziplin des Denkens, die sich die Überzeugungskraft von Objekten zu Nutzen macht, um praktisches Handeln zu beeinflussen. Deshalb geht es im Design stets auch um den lebendigen Austausch konkurrierender Vorstellungen über das soziale Leben.”
Fußnote Nr. 11: “Grammatische Theorien betrachten Kommunikation oft als die Übertragung einer Geisteshaltung vom Sprecher auf das Publikum – als Weitergabe von Information und Emotion. In der Rhetorik jedoch wird Kommunikation als die Entwicklung von Argumenten (logisch, ethisch oder emotional) verstanden, die im Publikum Glauben oder Identifikation hervorrufen. Diese Unterscheidung mag sehr fein sein, doch sind die Konsequenzen der jeweiligen Ansätze grundsätzlich verschieden.”
“Alle Produkte beruhen auf Überzeugungen und Wertvorstellungen, ob diese nun explizit formuliert sind, implizit angenommen oder völlig ignoriert werden.”
“Eine fachkundige und kluge Designpraxis erfordert eine ebenso fachkundige und kluge Praxis der Rhetorik. Dies nicht nur bei der Formulierung eines Produktkonzepts, bei der sich Designer, Manager und andere Involvierte in verbalem Erfindungsreichtum und in Überzeugungskunst Untertreffen, sondern vielmehr auch in der überzeugenden Präsentation und Deklaration dieses Konzepts in den Produkten selbst. Ob es sich um das kleinste, nebensächlichste Objekt oder das größte Integrierte technologische System handelt, Sets bewirken Designer eine Verstärkung von Ideen durch die gestalteten Dinge.”
BODY OF KNOWLEDGE
Design ist unsichtbar ist erschienen in:
Lucius Burckhardt, Design ist unsichtbar, Herausgeber: Hans Höger für den Rat für Formgebung, 1995
Visuell-Verbale Rhetorik und Declaration by Design ist erschienen in:
Gesche Jost, Arne Scheuermann (Hg.): Design als Rhetorik: Grundlagen, Positionen und Fallstudien
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